Arnold Böcklin
(1827-1901)
Memoiren. Tagebuchblätter von Böcklins Gattin Angela, Berlin 1910
- An Angela Böcklin - Ischia 28. Juli 1880
Ich hoffe, dass Du mein Telegramm aus Neapel erhalten haben wirst. Tags darauf, Sonntag in der Früh reiste ich mit Herrn Schmidt nach Ischia, wo wir auf 15 Tage zwei Zimmer in der Villa Drago gefunden haben. Auf den 13. August müssen wir ein anderes Unterkommen finden - wir werden es auch finden.
Heute habe ich das dritte Mineralbad genommen, es ist aber unmöglich, so schnell eine günstige Wirkung nachzuweisen. Ich fühle eine gewisse Änderung, hauptsächlich schmerzt mich ein wenig die linke Schulter. Vielleicht ists ein gutes Zeichen, dass das Wasser wirkt.
Kaum könnte ich Dir sagen, was ich den ganzen Tag treibe, die Zeit totzuschlagen. Um 5 stehe ich auf und gehe in die Badeanstalt. Dort warten schon an die 20 Leute, fast alle alt, mit Krücken, und die eine mir unverständliche Sprache reden. Ich nehme einen schwarzen Kaffee und warte vielleicht eine Stunde, bis ich ins Bad steigen kann. In der Wanne, die für mich viel zu klein ist, langweile ich mich ganz verdammt und schaue immerzu nach meiner Uhr an der Wand, ob die halbe Stunde noch nicht herum ist - 5 Minuten in der Wanne dauern wie eine Stunde in der Freiheit. Um 7 oder auch später geht die Langweile zu Ende, und dann gehe ich in ein nahegelegenes Kaffeehaus frühstücken, schwarzen Kaffee ohne Milch - die haben sie nicht - mit einem uralten Brötchen, und dann wandre ich an den Strand, setze mich in den Schatten eines Felsens und be_trachte das Meer mit den Schiffen, die vorbei fahren, und denke tausend Dinge. Gegen 11 wirds zu heiss, und dann kehre ich nach Hause zurück, um nochmals das Meer zu betrachten oder zu schreiben, wie ich jetzt tue. Um Mittag kommt Herr Schmidt, und bald nachher erscheint Gaetano mit dem Frühstück - ein Stückchen kaltes Fleisch, Obst, Brot und Wein, der dies Jahr glücklicherweise ausgezeichnet ist.
- An dieselbe - Ischia, 16. August 1880
Noch habe ich keine Lust etwas zu beginnen, es kommt mir nicht der geringste Einfall für ein Bild. Ich tue weiter nichts, als am Meer auf Felsen zu sitzen und selten meinen Ariosto vorzunehmen, den ich stets bei mir habe, um wenige Verse zu lesen. Obs die Luft ist, ob die Monotonie des Meeres, ob die Hitze, ich weiss es nicht, aber ich verstehe jetzt sehr gut, wie ein Einsiedler 100 Jahre in der Wüste zubringen kann, ohne die Geduld zu verlieren. Wenn man an nichts denkt, so schläft, glaube ich, das Gehirn!