Home

Zurück

.

Lore Enderle-Mollier


Ischia die Barocke, in Lüdecke Barbara, «Glückliche Inseln», Stuttgard 1958

In zwei Stunden fährt man von Neapel aus - an ihrer Vorbotin, der zierlichen Insel Procida vöruber - nach Ischia. So wirst da sie erleben: von Himmel und Meer lazulithblan umrahmt, vom Berge Epomeo gekrönt, von Weinbergen und Kastanienwäldern lieblich überzogen, von Pinien überragt, von dunkelgrünen Hainen reich gezlert, in denen golden und rot die kleinen Monde der Orangen längen, die Häuser von weitem heiter und leicht, als seien sie Biskuit, hellblau, rosa, weiB und gelb, mit ihren vicien Bögen, Loggien und gerundeten Fernstern mehr ein zaubrisch-süsses Bild als Wirklichkeit; in der Nähe wie immer brökelude Maner, verblichene Farbe, doch das erhöht wahrscheinlich nur den Reiz. Dann der kleine, kreisrunde Hafen, ein Kratersee.
Die Mole tastet sich einer Schnecke gleich mit leicht gestrecktem Bagen von ins Ungewisse. Du kannst gleich hier an Ort und Stelle bleiben, wenn du willst, manche sagen, Porto d'Ischia sei der schönste Platz voli allen. Grosse und kleine Alberghi zum Aussuchen, sauber und modern, du kannst dich in den terme comunali der Heilkräfte der beiden Quellen, der Fontana und Fornello, erfreuen. Zu beiden Seiten des Hafens erheben sich zwei Hügel, die alten Kraterränder.
Auf dem San Alessandro steth weiss und leuchtend über hohen Felsen ein maurisches Schloss, mit Kuppel und Zinnen weithin zu erkennen. An das steile Riff zu seinen Füssen schlägt das Meer. Maisfelder bewegen sich in der leichten Brise, und Tamarisken verströmen ihren kaum wahrnehmbaren Duft. Hier oben beginnt die Pineta, ein Wald edelgewachsener Pinien. Gegen Abend schweben ihre Kronen dunklen Traumbooten gleich vor dem verdämmernden Himmel.
Die schwingende Zartheit und Schwerelosigkeit der frühen Lyrik Lamartines fand hier ihr Ebenbild. Von San Pietro aus, dem Hügel San Alessandro gegenüber, sieht man das Kastell Vittoria Colonnas schöner als von jedem anderen Platz, als wäre es allein für diesen Ausblick hingesetzt. Dunkelblau sind die grossen Blüten der Winden, die die rosa Kirche von San Pietro überwuchern.
Angesichts des Kastells denke ich mit heftiger Sehnsucht an das glühende Sant'Angelo im Süden, das mit seiner Torre, seinem wie ein Wehrtum ins Meer gesetzten Berg so sehr and das Kastell erinnert. Mit einer der zierlichen Carrozzelle, die, von federgeschmückten Pferden gezogen, leichtfüssig durch die Strassen rollen, kann man es auf einer Fahrt um die halbe Insel erreichen.
Rechter Hand die jäh abfallende Küste, linker Hand die aufsteigenden Weinberge, und dazwischen liegen immer wieder Orte, die zum Verweilen locken: Casamicciola mit seinen Thermal - und SchIammbädern, den heissen Grotten und dem hübschen Strand, Lacco Ameno mit den stark radioaktiven Quellen und dem grossen Tuffelsen nahe der Badebucht, der wie ein Riesenpilz aus dem Wasser ragt und Fungo heisst.
Den mit Reben überzogenen Monte di Vico lassen wir rechts zurück, ebenso das Tal San Montano; auf einer in den Fels geschlagenen Strasse erreichen wir Forio. Uberall ist der Duft des Meeres nahe, und immer wieder, wie mit weiten Armen ausgestreut, leuchtet Bougainvillea, die sich in dunklem Violett üppig über die weissen Häuser zieht.
Serrara - Fontana am Südabhang des Epomeo und Barano, beide von der Küste etwas zurückgenommen, höher gelegen, hätten wir noch vor uns, dann wären wir mit unserer Carrozzella nach vier Stunden Fahrt wieder in Porto d'Ischia.
Das letzte Stück in das kleine Fischerdorf Sant'Angelo geht man zu Fuss. Wie aus dem Boden gestampft, quirlen Knaben herbei in jeder Grösse, um einem alles Traghare abzunehmen und es nach alter Sitte auf dem Kopfe balancierend in den Ort zu bringen. Die Winzigkeit der Knaben und die Grösse der Gepäckstücke stehen häufig in einem erstaunlichen Verhältnis. Der Wein der Insel schmeckt köstlich, doch der Weinbau auf schmalen Terrassen die Hügel hinauf ist müshsam; auch das reichste Meer hat noch keinen Fischer reicht gemacht - so sind alle froh, wenn sie an den Fremden etwas verdienen können, selbst die kleinstein Knaben.
Hier im Süden, wo im hohen Sommer die Sonne erbarmungslos herunterbrennt, wo die steile Küste über das freie Meer hinaus den Blick nach Afrika gewendet hält, erscheint die Natur am stärksten und am reinsten. Die fiachen Häuser steigen kreuz und quer die felsige Anhöhe empor. Wie der Trachytfels, das Kastell, vor Ponte d'Ischia, steht hier die «Torre» vor Sant'Angelo. Ein schmaler Sanddamm bindet sie an an die Insel, rechts und links das Meer mit seinen wechselnden Farben; oft ist es grün wie ein Katzenauge. Links der neu entstandene Damm schützt bei Wellen und Sturm die Boote am Strand, das kleine Schiff im Hafen. In einer halben Stunde ist man um die felsige und grottenreiche Südküste herum in Ponte d'Ischia.
Von Sant'Angelo durch Klippen getrennt, dehnt sich gegen Osten unter der Steilküste bis schier ins Unermessliche der breite Strand, die spiaggia dei Maronti. Am frühen Morgen ist er verlassen und unberührt, und das Licht rieselt herab, gleissend und in überwältigender Fülle. Trotz der frühen Stunde ist der Strand warm, er ist warm von innen heraus, vor aliem hier in dieser ersten Bucht, wo die schwefligen Rauchfährichen aus dem Boden steigen. Es gibt immer wieder Menschen, die sich an dieser Stelle ein Ei im Sande kochen. Die Temperatur des heilkräftigen Sandes, die Fumarolen, die warmen oder heissen Quellen unter Wasser, auf die man tritt, wenn man am Meersrand spazierenght, dies alles sind Zeichen, dass das feuerspeiende Herz dieser Erde noch nicht erkaltet ist.