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Caroline von Humbold (1766-1829)

Caroline von Humbold (1766-1829)

An denselben - Lacco, 8. August 1817
Du schreibst, Du seist begierig, von meinem Aufenthalt in Ischia zu hören. Ach, meine teuerste Seele, wie gemacht wäre er für Dich. Heiterer Himmel, bedeutende Wärme, wenig Schatten, also Sonne aus der ersten Hand, herrliche und grossartige Gegend, schönes Meer, gar keine Gesellschaft, denn ein jeder besinnt sich, Visiten auf Eseln zu machen, tiefe Stille, am Hause schöne Terrassen, einen Weingarten, nachts einen von Millionen Sternen glänzenden Himmel, das alles wüsstest Du zu schätzen wie wenige. Die Milchstrasse glänzt wie ein Strom reinen Lichts. Ich habe einen sehr grossen Salon, der Fenster, vielmehr Glastüren nach Mitternacht, Abend und Morgen hat. Nach Abend und Morgen sind schöne Terrassen. Da treten wir oft heraus, August liebt auch sehr die Nacht, und wir ergötzen uns an der tiefen Stille und an der balsamischen warmen Nachtluft und den Sternen. Nach Mitternacht hin liegt ein Berg, der die Meeresaussicht kupiert, er ist kegelförmig, und an seiner linken Seite tritt das Meer in seine Bucht. Zu dieser Meeresbucht, die nur wenige Schritte vom Hause ist und in der August sich täglich badet, gehen wir oft. Wir fanden letzt im Meeressande eine Unzahl weisser Lilien am Ufer. Eine alte Sage geht auf der Insel, dass da, wo die Lilien am Ufer blühen, der Leichnam der heiligen Restituta gefunden ward, die Schutzpatronin der Insel ist und dem stärkendsten Wasser ihren Namen beigelegt hat. Man habe, sagt man, die Lilien in die Fruchtgärten verpflanzen wollen, allein sie kommen nur in dem Sande des Meeres und an der Stelle fort...

Sonntagabend, den 10.
Ich bin gestern abend glücklich von meiner etwas fatiganten Tour zurückgekommen. Es würde mir sehr leid gewesen sein, den Epomeo nicht bestiegen zu haben, und nun ich oben war, sehe ich, dass man die Insel gar eigentlich nicht kennt, wenn man nicht oben war. Erst war einiger Nebel zwischen uns und der Gegend, die weissen Wölkchen schwebten auf der dunkelblauen Meerflut, es war, als ob man sich auf den Rücken legt und über sich in den Himmel schaut. Dann sanken die Wolken, und alle Inseln, die fernen Küsten, die Kette der Berge und die paradiesische Gegend nach Neapel hin wurden sichtbar. Wie habe ich Deiner gedacht! Wie hättest Du den wirklich einzigen Anblick mit mir genossen! So wunderbar schimmern die Inseln im Meer, das Land scheint nur so hergegeben, gleichsam aus Gunst des mächtigen Elements. Der Berg ist wunderbar, oben die Kuppe ist wahrscheinlich ein Produkt früherer Eruptionen nun sehr verwittert. In diese Art Tuffstein hat man ein Kloster und eine dem heiligen Nicolo geweihte Kapelle, eingehauen. Das Kloster ist zerstört, nur drei Eremiten wohnen da, von denen gewöhnlich zwei auf Almosensammeln aus sind. Die Fenster dieses kleinen Klosters sind immediate in den Tuffelsen eingehauen, mancher Schritt in den kleinen Zellen führt zu dem jähsten Abgrund. Die Insel liegt wie ein Basrelief vor einem. Wir konnten in unseren Garten, in die Zimmer der Kinder herabsehen, und Monte Vico, der von hier unten so gross und hoch aussieht, lag wie eine kleine Erhöhung vor uns.