Ischia - Grundzüge der Geschichte, Mythen und Wirklichkeit
Von Massimo Mancioli
Der aussergewöhnliche Reichtum der Thermalwasservorkommen von Ischia, mit seinen zahlreichen warmen Quellen (Thermal- und Hyperthermalquellen) und seinen fumarole (wo heisser Dampf aus dem Erdboden kommt) hat seit den ersten Anfängen unserer Zivilisation die antike Welt in ihren Bann gezogen.
Seit Homers Zeiten haben Dichter, Erdkundler, Historiker, Naturwissenschaftler und Ärzte (Timeon, Ephor, Plinius der Ältere, Strabon usw.) immer wieder von dieser Insel gesprochen, die diese so interessanten Naturschauspiele und gleichzeitig ziemlich häufig vulkanische Erscheinungen bot. Wie die bedeutendsten Fachleute auf diesem Gebiet (A. Rittmann, F. Penta) betonen, war der geologische Moment des griechisch- römischen Zeitalters für Ischia ungünstig (aber die "geologischen Momente" dauern Jahrhunderte). Dieselben Autoren halten dagegen den gegenwärtigen "geologischen Moment" für sehr günstig, weil die hydrogeologischen Erscheinungen sich nur "nach Maß für den Menschen", als hyperthermale Quellen und als fumarole, zeigen. Sie sind also einzig und allen wohltätig (B. Santi).
Es ist heute bewiesen, daß im 8. Jahrhundert vor Christus sich die ersten griechischen Kolonisatoren, die von der Insel Eubös herkamen, auf der Insel Ischia niederliessen und ganz schnell die Möglichkeit erkannten, einige Quellen der Insel zu Heilzwecken, für Bäder und für Trinkkuren, zu nutzen. Ein klarer Beweis dafür ist die Quelle Nitrodi, die in all den Jahrhunderten den originalen, griechischen Namen unverändert behalten hat (sie war dem Gott Apollo und den Nitroden- Nymphen geweiht).
Im Altertum versuchte man, eine mythisch- naturalistische Erklärung für all diese oben erwähnten Naturerscheinungen zu finden. So entstand der Mythos vom Riesen Typhäon, der mit den anderen Titanen von Zeus davongejagt und ins Tyrrhenische Meer gestürzt wurde. Dort wurde er in Ketten gelegt, aber nie ganz bezwungen, und mit seinem riesigen und unruhigen Körper bildete er das gesamte Inselmassiv und war die Ursache all dieser verschiedenen vulkanischen und hydrogeologischen Naturerscheinungen, die charakteristisch für die Insel sind.
Der spontane Versuch, mit Verstand alle, von den neuen Ländern im Abendland gebotenen, natürlichen Schätze zu nutzen - därunter die hydrothermalen Vorkommen von Ischia - ist ein Kennzeichen der neuen Kultur, die sich um das achte Jahrhundert vor Christus im Mittelmeerraum entwickelt. Ein Blick auf die Landkarte, die von der Küste Kleinasiens bis nach Ischia reicht, lässt uns, auch in Anbetracht der bescheidenen Seetüchtigkeit der damaligen Schiffe, höchst überreischt über das mutige Vordringen nach Westen der Griechen aus der Insel Euböa. Die Gründe dieses kühnen Dranges nach dem Abendland scheinen in einer zunehmenden inneren wirtschaftlichen und politischen Krise zu liegen und auch in der Notwendigkeit, eine vetrauenswürdige Handelsbasis in den fernen Ländern im Westen zu finden, die ihnen seit der Zeit der Phönizier wegen ihres Reichtums an Industriemetallen bekannt waren, welche ein Volk immer nötiger zu seinem Aufstieg braucht. Eisen, Blei, Kupfer und Zinn waren unentbehrlich geworden für die Waffenproduktion und zum Aufbau einer Marine, die imstande sein musste, die Handelswege in einem immer grösseren Aktionsradius im Mittelmeerbecken zu organisieren und zu beschützen. Bereits seit dem zehnten Jahrhundert vor Christus hatten die Phönizier begonnen, das mittlere und nördliche Mittelmeer zu befahren und solide Handelsstützpunkte in den wichtigsten erzhaltigen Gegenden zu schaffen (besonders in Spanien und in Sardinien). Es war praktisch ein phönizisches Monopol für die Metalle entstanden, das die Euböer sicher nicht durchbrechen konnten. Außerdem scheint es ziemlich schwer gewesen zu sein, vorteilhafte Tauschgeschäfte mit den harten Phöniziern zu machen. Sehr viel erfolgversprechender erschienen den Euböern daher Beziehungen mit den Etruskern, die auch Herren von interessanten erzhaltigen Gegenden im oberen Latium, in der Toskana und auf der Insel Elba waren. Aus all diesen Gründen trachteten die zwei bedeutendsten euböischen Städte, Chalkis und Eretria, danach, auf Ischia einen dauerhaften Brückenkopf, eine richtige Kolonie zu schaffen, genau an der südlichen Grenze des etruskischen Einflussbereiches.
Diese erste griechische Kolonie im Abendland, die älter ist als Magna Graecia, wurde von den Euböern gegründet, wahrscheinlich um 770 v. Chr. und sie erhielt den Namen Pithekoussai, in Anklang an die Produktion von grossen Vasen (pithioi). Frühere phönizische Ansiedlungen, die der Archeologe G. Büchner in dem gedrungenen Vorgebirge von Castiglione, zwischen Casamicciola und Ischia Porto, entdeckte, hatten ganz anderen Charakter: es waren eher Zwischenstationen ohne die üblichen Merkmale einer dauerhaften Ansiedlung (jener Bereich der Küste ist ganz offen den Winden ausgesetzt, also als Hafen ungeeignet und kein das ganze Jahr über sicherer Anlegeplatz).
Dagegen haben die griechischen Kolonisatoren das Problem eines sicheren Hafens gelöst, indem sie die beiden Strände verwendeten, die damals viel größer waren und sich zu beiden Seiten des grossen Vorgebirges von Monte Vico, im heutigen Lacco Ameno, erstreckten. Links des Vorgebirges, im Westen, schliesst sich die tiefe Bucht von San Montano an, die ihrerseits im Schutz des waldigen Vorgebirges Punta della Cornacchia liegt. Auf der anderen, östlichen, Seite des Monte Vico öffnet sich der Strand von Lacco Ameno, der damals auch viel grösser war und wo man auf dem Trockenen zahlreiche Schiffe unterbringen konnte.
Noch heute kann man am Fuss des "fungo" (d.h. Pilz) des charakteristischen Tuffsteinmassivs ganz nahe am Strand von Lacco - rohe, aber praktische, zur Vertäuung dienende Einschnitte sehen, die in späterer Zeit in den Tuffstein gehauen worden waren.
An diesem Küstenabschnitt, an den nur diejenigen Wellen schlagen, die von Winden im Bereich des ersten Kompassquadranten verursacht werden, können tüchtige Seeleute immer rechtzeitig voraussehen, welcher der beiden Anlegeplätze unsicher wird, und folglich die Schiffe zum anderen verlegen. Nur sehr selten werden beide Plätze gleichzeitig unsicher und die Boote müssen dann aufs Trockene gezogen werden.
Homer (Odyssee, IV 846) beschreibt einen ähnlichen "doppelten" Anlegeplatz auf der griechischen Insel Asteris, wo die Freier dem Sohn des Odysseus, Telemach, bei seiner Rückkehr nach Ithaka einen Hinterhalt bereiteten. Sicher kannten die Euböer - wie die berühmte "Coppa des Nestor", die 1959 von G. Büchner in der Nekropole von San Montano gefunden wurde, es beweist-genau die Verse Homers: literarische Kultur und Seefahrerfähigkeiten scheinen hier zusammenzutreffen. Die Tatsache, daß Pithekoussai die erste griechische Kolonie im Abendland war, hat im Rahmen der Kulturentwicklung ihre besondere Bedeutung, die weit über dem üblichen Lokalpatriotismus und Heimatstolz steht. Wir wollen daran erinnern, dass diese Tatsache das Ergebnis von langen, schwierigen und gewissenhaften archäologischen Forschungen ist, die 1952 von einem der bekanntesten und geschätztesten europäischen Archäologen, Georg Büchner, dem Leiter der Oberintendanz von Neapel, in Angriff genommen wurden und zuweilen auch mit der Unterstützung von Assistenten der Pennsylvania University und seit 1962 in Zusammenarbeit mit einem anderen, sehr bekannten europäischen Archäologen, David Ridgway, Professor für Archäologie an der Universität von Edinburgh und Direktionsmitglied des British Museum von London betrieben wurden. Ein bedeutender Beitrag, besonders über alles, was sich auf die römische Zeit von Ischia, auf die Berichte über die ersten Zeugnisse des neuen christlichen Glaubens (siehe die Hl. Restituta, die nicht nur Schutzpatronin der Insel ist, sondern jahrhundertelang im ganzen Mittelmeerbecken verehrt wurde) , und auf die byzantinische Zeit bezieht, kommt von Don Pietro Monti, aus Lacco, dem Rektor der Basilika der hl. Restituta und Schöpfer des im Unterboden der Basilika untergebrachten archäologischen Museums in Lacco Ameno, dank dessen leidenschaftlicher Forschungstätigkeit und gründlicher Kenntnis des Insellandes.
Nach Beendigung der archäologischen Forschungen hat D. Ridgway in dem zusammen mit G. Büchner herausgegebenen Buch über Pithe koussai schon mit dem Titel selbst des Werkes (Die Frühzeit von Magna Graecia) , den zeitlichen Vorrang der griechischen Kolonie unterstrichen, die von den Euböern auf ihrem Vordringen in das Abendland auf Ischia gegründet wurde: Pithekoussai war die erste Kolonie und ein Ort der Verschmelzung und der Begegnung in der Entwicklung der abendländischen Kulturwelt zu jenen Kultur- und Zivilisationsformen, die wir heute als die unseren betrachten. Es ist ausser Zweifel, dass im achten Jahrhundert v. Chr. die Griechen aus Euböa über Pithekoussai die grundlegenden Elemente des neuen abendländischen Kulturkreises zu den Etruskern gebracht haben: die Schrift, sowie Begriff und Praxis der Polis, d.h. des Stadtstaates, im Innern rationell organisiert, mit einer Regierung und einem Verteidigungs- und Machtzentrum auf der Akropolis, mit einer Nekropole, einer Industriezone und einem Wohnge biet. Die Polis mit ihrer elitären Regierung beschäftigte sich aktiv mit der Aussenwelt, indem sie eine ständige Expansionspolitik und Tauschhandel im ganzen Mittelmeerraum betrieb. Einige Fundstücke bezeugen dieses dichte von den Euböern gewebte Handelsnetz.
Zweifelsohne ist das bedeutendste "literarische Dokument" griechisch- chalkidischen Ursprunges, das in Pithekoussai gefunden wurde, die schon erwähnte "Coppa des Nestor". Die Schale (skyphos) "ist von wirklich aussergewöhnlicher Bedeutung, da sie eine der wenigen vollständigen Inschriften enthält, die uns nach den Dichtungen der Ilias und der Odyssee überkommen sind".
Auf der Schale, die Buchstabe für Buchstabe mit kundiger und geduldiger Hand vom Entdecker selbst aus den Scherben wieder zusammengefügt wurde (diese wurde im Verlauf des festlichen Leichenmahles, zu dem sie bestimmt war, zeremoniell zerbrochen) , liest man die mit einem Bronzegriffel eingeritzte Inschrift von rechts nach links (in linksschreitender Zeile) d.h.. in der allerältesten griechischen Schriftform. Die Schale wird auf das Jahr 720 v. Chr. (G. Büchner) datiert. Noch weit überraschender ist - für unsere heutige Denkungsart - der Wortlaut der Inschrift, den J. Boardman wie folgt liest, wobei er den .ursprünglichen Hexameter unbeachtet lässt: "Nestor hatte eine Schale, aus der zu trinken es sich lohnte, aber wer aus der meinen trinkt, wird sofort von der Sehnsucht nach der blonden Aphrodite erfasst". Für die Experten ist das ein klarer Bezug auf den 11. Gesang der Odyssee, wo von Nestor gesprochen wird und seinem herrlichen Becher, aus dem er das trinkt, was ihm seine treue Hekamedes eingeschenkt hat. Es ist sicherlich, wie P. Monti schreibt, "ein Gedicht anlässlich eines Festmahles, das aus einem von heftiger Liebe erfüllten Herzen kommt. Es ist die offene Herausforderung eines Pithekusaners, der seinen zerbrechlichen Tonbecher voll Wein in den Händen hat und ihn mit dem königlichen Becher des weisen Nestor vergleicht. Es ist ein Triumpfschrei der Liebe, ein gefühlvoller Gesang der Lebensfreude. Und dann erhebt sich aus dem dunklen Grund des berauschenden Kelches eine lebendige Erinnerung an die trojanische Geschichte: an jene homerischen Sagen, die von den ersten griechischen Kolonisatoren im Okzident erzählt wurden, so wie sie der Sänger Demodokos am Tisch des Phäakerkönigs Alkinoos vorgetragen hat ".
Andere Funde von grosser archäologischer Bedeutung sind in dem Museum der Villa Arbusto (abgekürzt: M.V.A.) in Lacco Ameno aufbewahrt, das zur Aufnahme der reichen Forschungsergebnisse von G. Büchner und Kollegen eingerichtet wurde. Da gibt es z.B. eine der ältesten, heute bekannten Darstellungen von Achilles und Ajax, ein Fragment eines euböischen Tellers, auf dem zum ersten Male in der Geschichte der Name des Künstlers steht, einen Teller mit dem "Schiffbruch von Pithekoussai", eine reichhaltige Siegelsammlung von mediterranen Kaufleuten; Funde ägyptischer Herkunft, berühmte Persönlichkeiten aus der Kolonie, wertvolle Teller, Amphoren, aus Mittelmeerländern importierte Vasen und solche aus lokaler Produktion usw. Oft sind diese Funde einmalig in ihrer Art.
Es ist mehr als deutlich, dass die Wahl des Standortes von Pithekoussai als der ersten griechischen Siedlung im Abendland eine wohlüberlegte Entscheidung und kein Zufall war. Die geographische Lage der Insel im Tyrrhenischen Meer, in rechtem Abstand zur kampanischen Küste und zum südlichen Pol der etruskischen Einflusszone, die Naturschätze des Inselgebietes, der doppelte, sichere, vom Vorgebirge Monte Vico geschützte Hafen im heutigen Lacco Ameno usw. waren für die Euböer ausschlaggebende Gründe für ihre Wahl. Die Möglichkeit, aus sicherer Position heraus mit den Etruskern und deren Mineralerzlagern in Kontakt zu kommen, war zweifellos das vornehmste Ziel der neuen Kolonie.
Sir George Beazley schreibt, wie Ridgway erwähnt, dass die Völker im Okzident, mit denen die Griechen in Berührung kamen, auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe standen als sie selbst, während im Orient lange Zeit hindurch und unter vielen Gesichtspunkten, gerade das Gegenteil der Fall war.
Überhaupt waren die Etrusker ohne Zweifel das am weitesten entwickelte Volk der italienischen Halbinsel, und bereit, die griechische "Botschaft" vollständig anzunehmen, und es ist erwiesen, dass die Euböer von Pithekoussai, wie Ridgway betont, "in den Jahren 770 und 700 v. Chr. ein unlösbares Band zwischen den alten orientalischen Kulturkreisen und der jüngeren abendländischen Kultur knüpften".
Die von der Insel Pithekoussai gebotenen günstigen örtlichen Gegebenheiten beschränkten sich nicht nur auf den Hafen. Die natürliche Akropolis des Monte Vico bildete mit einem einzigen sehr felsigen Zugangsweg zu Land und mit ihren felsigen Steilabhängen auf den drei dem Meer zugewandten Seiten den Idealfall einer Zitadelle für das Oberkommando und die politisch- militärische Koordinierung.
Wie auch aus der heutigen Vegetation zu erkennen ist, aus den Gärten und Weinbergen, die man teilweise auf den Gipfeln des Vorgebirges Monte Vico findet, musste die Zone der Akropolis ein paar landwirtschaftliche Ressourcen "vor Ort" und Brunnen mit Trinkwasser geboten haben, natürlich dank wohlüberlegter Eingriffe von Menschenhand. Zur Zeit Ovids, ungefähr 700 Jahre später, war Pithekoussai schon längst vom römischen Stützpunkt am Meer Aenaria, da wo sich heute das Aragonerkastell erhebt, in seiner Bedeutung abgelöst worden. Der alte griechische Ort erschien dem Dichter (Metamorphosen ZIV, 90) als sterelique locatus colle Pithecusas", also als ein steriler Hügel. Dieses Urteil steht aber in schroffem Gegensatz (P. Monti) zu den reichen römischen Fundgegenständen dieses Ortes aus jener Zeit. Obwohl sich die Euböer vor allem dem Handwerk (Metallverarbeitung, Vasenproduktion usw.) und dem Handel widmeten, ist es sicher, dass Pithekoussai den Kolonisatoren nicht unerhebliche landwirtschaftliche Möglichkeiten bieten konnte. Strabon zum Beispiel gibt die Fruchtbarkeit des Inselbodens (eukarpia) als eine der Hauptfaktoren des grossen Wohlstandes der neuen Kolonie an. Trotzdem scheint den modernen Autoren die Bemerkung Strabons mehr eine optimistische Folgerung aus der vulkanischen Natur des Bodens zu sein oder ein oberflächlicher Kommentar zu den Folgerungen eines Plinius (Nat. Hist. KZZI, 5.9) oder Statius (Silvae III, 5.104).
Dora Büchner Niola, die in den letzten Jahren ein langes und gründliches Studium auf diesem Gebiet durchgeführt hat, bestätigt, dass der Hauptreichtum der Insel im "vortouristischen Zeitalter" immer die Landwirtschaft gewesen ist, aber nur auf dem einen speziellen Gebiet des Weinbaues.
Das hängt von der Geländeart ab; die Insel ist hügelig,- mit Steilwänden, die sich rings um den Monte Epomeo (780 m.über dem Meer) erheben, und hat einen Bodentyp, der vorwiegend aus vulkanischem Tuffmaterial besteht und daher arm ist an humus, aber porös und reich an Mineralien. Unter diesen Bedingungen entwickelt der Weinstock eine sehr wichtige Tätigkeit, da er imstande ist, die Feuchtigkeit im Boden zu speichern und mit seinem dichten und zarten Wurzelwerk die schmalen Terrassenstufen (die schiappe im örtlichen Dialekt) , die mühevoll an den Hängen des Hügels gebaut sind, an den Boden zu "fesseln" und so in den herbstlichen und winterlichen Regenperioden das Ausschwemmen oder sogar das Abrutschen der so mühevoll gebauten Anlagen zu verhindern (D. Büchner Niola) .
Trotzdem ist es wahr, dass es nur wenige und zersplitterte Grundstücke in der Ebene gab, die man pflügen konnnte und die für andere landwirtschaftliche Kulturen geeignet waren. Eine dichte, niedrige "mediterrane Macchia" bedeckte bis ins 15. Jahrhundert einen Grossteil der Insel. Es ist klar, dass das raue Hügelland mit seiner ständigen Erosion für die ersten euböischen Kolonisatoren ganz andere Merkmale bot als die "welligen Ebenen", die zum Beispiel andere Gegenden Italiens für die vorwärtsdrängende Kolonisierung bieten konnten. (Leontini, Sibari) .
Die landwirtschaftlichen Erträge von Pithekoussai waren jedoch mehr als ausreichend für die kleine Kolonie, und ausserdem konnte die Insel andere aussergewöhnlich bedeutsame Schätze bieten wie das Wasser, das nicht nur warm und mineralhaltig, sondern dazu auch noch trinkbar war (was für eine Insel des südtyrrhenischen Meeres durchaus nicht immer die Regel ist) , ferner eine Menge Holz, das man unter anderem in den "industriellen" Öfen zur Metallverarbeitung brauchen konnte, üppige Lager von bestem vulkanischen Ton, dem notwendigen Rohmaterial, um die Vasen industrie auszubauen (eine Kunst, in der die Euböer schon in ihrer Heimat Meister waren) . Es ist zu beachten, dass es sich um denselben Ton handelt, mit dem heute in Ischia, nach einer entsprechenden Reifezeit in heissem, mineralhaltigem Wasser, die berühmten "therapeutischen Schlammkuren" gemacht werden.
Die Vasenindustrie von Pithekoussai hatte zwei verschiedene Aspekte. Da ist zuerst der rein utilitaristische; die grossen Vasen dienen nämlich als Behälter für Lebensmittel, wie sie in der öffentlichen und privaten Wirtschaft und auf den langen Seefahrten gebraucht werden. Und dann ist noch ein künstlerischer, der - heute - wichtig ist, um eine Vorstellung vom technischen und kulturellen Niveau des produzierenden Volkes zu bekommen, aber auch - damals - wichtig war, um durch die direkte Anschauung von symbolischen Darstellungen, Mythen, literarischen und heiligen Legenden ein leichteres Näherkommen und ein grösseres "Verständnis" auch zwischen weit von einander entfernten Völkern zu fördern. Nicht zufällig erinnern wir uns, dass das Wort Keramik von Keramikos kommt, dem Namen eines der Söhne Bacchus : eine edle, ganz besonders bedeutsame Wertschätzung für eine zu Unrecht und in oberflächlicher Bewertung "geringer" geachtete Kunst. Kein Wunder also, dass das euböische Geschirr als wertvolles Tauschobjekt gegen die begehrten etruskischen Metalle angesehen wurde. Auf rein künstlerischer Ebene erfahren die eher kleinen Vasen, Amphoren, Becher usw. im Lauf von wenigen Generationen eine stilistische Entwicklung, die die entsprechenden künstlerischen Richtungen im Mutterland, die teilweise erfolgte Verschmelzung mit der kampanischen Kunst und die Handelsverbindungen im Mittelmmerraum in sich vereinigt und widerspiegelt.
Wie bereits angedeutet, waren es die grossen Behältnisse, die pithioi, die der neuen griechischen Kolonie den Namen Pithekoussai gaben, wie als erster Plinius der Altere vermutet hatte (Nat. Hist. III, B,B2). Es gab auch, wie es oft auf diesem Gebiet vorkommt, andere ethimologische Erklärungsversuche für den Ortsnamen der neuen euböischen Kolonie. Zum Beispiel leitete der Alexandriner Kenagoras ( 90 v. Chr.) den griechischen Namen der Insel von "pithekos", was "der Affe" bedeutet ab (das wäre also dann: Affeninsel) . Zur Zeit des Kaisers Augustus nennt Strabon die Insel Chruseia, bezugnehmend auf die Goldschmuckarbeiten ihrer Handwerker. Inarime, Vergils name für die Insel, war jine ausschliesslich poetisch-literarischen Namensgebung.
Ridgway hat eine interessante Theorie vorgebracht und meint "der Name Pithekoussai sei einfach die hellenisierte Form eines Urnamens der Insel, oder vielleicht auch des gesamten phlegräischen Archipels (Ischia, Procida, Vivara)". Es geschehe nämlich leicht, dass fremde Seeleute oder Kaufleute schwierige Namen verändern, um sie in ihrer Sprache aussprechen zu können, wie zum Beispiel Orcadi für die schottischen "Orkneyes-Inseln" und, als Gegenbeweis, das englische Leghorn für das italienische "Livorno".
Zur Bekräftigung der These von Plinius kann eine weitere Beobachtung dienen, nämlich dass oft der Name einer Ortschaft von ihrem berühmtesten Produkt ableitet ist. Die Araber nennen zum Beispiel noch heute Venedig "Bundukia", das heisst " die Stadt der Gewehre" (von "bundük Gewehr") , weil viele Jahrhunderte lang die Serenissima (Attribut der Republik Venedig) der grösste Gewehrproduzent war.
Dank der guten Qualität und der Schönheit ihrer Produkte konnten die Euböer schnell wertvolle Tauschwaren dagegenbekommen, vor allem die begehrten etruskischen Metalle. Die chemischen Analysen, die Büchner von eisenhaltigem, noch nicht verarbeitetem Material machen liess, das in der Industriezone von "Mazzola", in Lacco Ameno gefunden wurde, haben klar die Herkunft dieses Materials aus uralten Bergwerken der Insel Elba bewiesen.
Nach den ersten "Versuchen" auf dem kleinen Flüsschen Fiora, das durch die etruskische Stadt Vulci fliesst, und nicht weit von der Insel Elba ins Tyrrhenische Meer mündet, nachdem es ein äusserst metallhaltiges Gebiet (uralt ist, zum Beispiel, der Eisenabbau von Canino) , in der Nähe von damals sehr bedeutenden etruskischen Städten ( Tarquinia, Tuscania usw.) durchquert hat, scheint die Annnahme logisch, dass die pithekusanischen Vasen zum Teil in diesem Flusshafen vor der Weiterfahrt zur Insel Elba abgeladen wurden, wo dann die Hauptmenge des eisenhaltigen Materials und vielleicht auch noch andere, ebenso wertvolle Metalle, die auf dem etruskischen Festland erworben worden waren, auf die Schiffe verladen wurde.
Die Verarbeitung der etruskischen Metalle erfolgte in Pithekoussai, in der Industriezone Mazzola, am Anfang eines kleinen, von zwei steilen Hügelchen beherrschten Tales. "U Torone di Mezzavia" und "I Pizzi" blicken auf die heutige Villa Arbusto in Lacco Ameno herab. Man hat sich gefragt, warum die Verarbeitung gerade dort, an dieser schwer zugänglichen Stelle erfolgte. Die Antwort liegt wohl darin, dass dieses kleine Tal (heute heisst es "Canale") immer gut von einer Westbrise belüftet wird und eine gute Belüftung war im Altertum unentbehrlich, um so etwas wenn auch nur annähernd den modernen "Hochöfen" Gleichwertiges zu schaffen, wo man genügend hohe Temperaturen erreichen konnte, um den Ton zu brennen und die noch rohen Metalle aus den etruskischen Bergwerken zu verarbeiten.
Die euböische "Epoche" von Pithekoussai ging ganz schnell zu Ende: die Notwendigkeit der Expansion auf dem Kontinent, um die Beziehungen zu den metallhaltigen Gegenden auszubauen, aber auch der besonders negative geologische Moment, den die Insel gerade erlebte, mit häufigen vulkanischen und tellurischen Erscheinungen, und ein heftiger Streit im Mutterland zwischen den beiden grössten euböischen Gemeinden ( Eretria und Chalkis), trieb die pithekusanische Gemeinde dazu, nach Cuma umzusiedeln.
Und wieder sind, wie in der gesamten Inselgeschichte, Gründe der Schiffahrt deutlich der entscheidende Beweggrund hierfür. Zum Beispiel ist zu betonen, dass die ständigen Brisen von Westen, die bei der Hinfahrt wie bei der Rückfahrt von der Seite her auf die Schiffahrtsroute Pithekoussau-Cuma wehen, das Hin und Her zwischen den beiden Orten erleichtern, auch wenn man nur primitive Segelausrüstung hat).
Wie Pithekoussai bildete auch Cuma eine natürliche Akropolis: ein einzelner Hügel in der sonst ebenen Umgebung, der an den Grenzen der kampanischen Küste hoch über dem Meer liegt. Mit dieser zweiten Kolonie, der ersten Kolonie auf dem Festland, erreichte das griechische Vordringen in Kampanien seine entscheidende Phase.
Örtliche Auswirkungen der Streitigkeiten im Vaterland zwischen den euböischen Städtchen Chalkis und Eretria (die im sogenannten "lelantinischen Krieg" gipfelten) gab es auch in Cuma. In diesem Zusammenhang berichten Strabon und Livius, dass die "oikistoi" (Konsuln) von Pithekoussai, Megastenes (Chalkidiker) und Hippokles (Eretrianer) sich in einem Kompromiss einigten: die neue Kolonie sollte als chalkidisch gelten, aber den eretrianischen Namen Kyme (Cuma) annehmen, nach der Heimat von Hippokles. Schon bald wurde die griechische Expansion in Kampanien sichtbar: Neapolis (Neapel) war eines der ersten Ergebnisse dieser Aktionen, die engere Beziehungen zu der ganzen örtlichen Bevölkerung mit sich brachten und eine immer entschiedenere Politik den etruskischen Nachbarn gegenüber zur Folge hatten.
Interessant ist auch das, was die jüngsten archäologischen Forschungen, die in Rom (C. Carandini) zu Füssen des Palatins noch im Gang sind, gezeigt haben, nämlich, dass schon im achten Jahrhundert vor Christus auf diesem Hügel "nicht einfache, verstreute Häuser aus Schlamm und Stroh standen, sondern eine rechtliche und religiöse Gemeinschaft, die mit gutem Recht den Titel "Stadt" für sich beanspruchen kann".
Jedenfalls, um 700 v. Chr. und mit dem Aufstieg von Cuma verliert Ischias Geschichte die Euböer aus den Augen, nach ungefähr 70 Jahren reger Tätigkeit und einer Entwicklung, die für die abendländische Kulturlandschaft von entscheidender Bedeutung gewesen ist. Den Euböern folgen andere griechische Völkerstämme nach, während in Sizilien und Kalabrien Grossgriechenland zu höchster Blüte gelangt und die Karthager immer stärker vorwärtsdrängen.
Ungefähr 200 Jahre nach der Gründung von Pithekoussai und Cuma kam es zu einem bewaffneten Zusammenstoss zwischen Griechen und Etruskern. Hieron, der mächtige Tyrann von Syrakus, kam mit einer gut ausgerüsteten Flotte den Cumanern zu Hilfe, die von den Etruskern zu Wasser und zu Land bedroht wurden. Die Seeschlacht fand in dem schmalen Meeresarm zwischen Cuma und dem heutigen Lacco Ameno statt und endete mit der vollständigen Niederlage der Etrusker (474 v. Chr.) . Nur von wenigen Schlachten des Altertums haben wir so viele Zeugnisse: Pindar als Augenzeuge im Gefolge von Hieron schrieb darüber eine Ode, und viele spätere Historiker erwähnen sie. In Olympia fand man sogar zwei erbeutete etruskische Helme mit einer Aufschrift, dass diese Helme dem Zeus geweiht werden als Dank für das gute Gelingen des Unternehmens im Meer von Cuma.
Der Ausgang dieses bedeutenden Kriegsereignisses bewirkte einen merklichen Prestigeverlust der Etrusker im südlichen Mittelmeer und die Aufgabe aller etruskischen Territorien in Kampanien. Es ist nicht zu vergessen, dass die Etrusker nur kurz vorher, im Jahr 507 v. Chr. , einen anderen schwerwiegenden Schlag mit der Vertreibung der Tarquinier aus Rom (die ja Etrusker waren) hinnehmen mussten.
Für die Römer bedeutete dies nicht nur, wie R. Bianchi Bandinelli ganz richtig bemerkt, einen Wechsel des Regierungssystems (von der Monarchie zur Republik), sondern die Befreiung von der Fremdherrschaft überhaupt. Die Vernichtung der etruskischen Pufferzone im Süden hatte sogleich zur Folge, dass primitivere Bergbevölkerungen talwärts nachdrängten ( die Volsker, Samniten, Equi usw. ). Im Jahr 421 v. Chr. zum Beispiel ist Cuma schon in samnitischer Hand. Durch harte Kämpfe gegen diese Bergstämme fand endlich die politische und kulturelle Isolierung der Römer (und also auch der Etrusker) von der griechischen Welt ein Ende.
Und wirklich - und das ist bemerkenswert - geht die Einführung der hellenistischen Kulte in Rom, die etwas zum Stillstand gekommen war, seit dem Jahr 293 v. Chr. nun schneller vonstatten, nachdem die Römer eigens nach Epidauros in Griechenland gefahren waren auf der Suche nach einer Gottheit, die imstande war, die Pestepidemie zu bekämpfen, und daraufhin auf der Tiberinsel den Äskulapkult einführten.
Wie gesagt, die Gesamtsituation der Einflusszonen im Mittelmeerraum beherrschen immer mehr die Karthager, d.h.die "Nachfahren der Phönizier". Mit der fortschreitenden Festigung der Position Roms und dem Niedergang der etruskischen Macht, kommt es bald zum entscheidenden Zusammenstoss zwischen Rom und Karthago (die Punischen Kriege) . Mit der römischen Hegemonie wird das Mittelmeer schliesslich zum "mare nostrum", einem Becken umgeben von römischem Territorium. Im Lauf dieser Ereignisse haben sich natürlich auch Rolle und Bedeutung von Ischia geändert. Es ist nicht mehr "Brückenkopf" der griechischen Kolonisation im Abendland und auch nicht mehr "strategischer Punkt" der am meisten umstrittenen Zone des mittleren und südlichen Tyrrhenischen Meeres. Die Tüchtigkeit der Handwerker bei der Verarbeitung der Metalle und die Nähe des grossen römischen Flottenstützpunktes Kap Misenum (ein künstlicher Kanal verband das Meer mit dem Avernersee, einem hervorragenden natürlichen Hafen) haben jedoch auf der Insel ein blühendes Schiffsbauzentrum entstehen lassen (P. Monti) . Der römische Flottenstützpunkt ist heute verfallen wegen der vielen, schnell aufeinanderfolgenden vulkanisch-tektonischen Erscheinungen (A. Rittmann) , die sich in 7-8 Meter Tiefe in dem Meeresarm zwischen dem heutigen Aragonerkastell, Ischia Ponte und Cartaromana ereigneten. (Abb. 16).
Was die Etimologie des kleinen Ortes Aenaria betrifft, der der ganzen Insel den Namen gab (zum ersten Mal in der Zeit Sullas 88-82 v.Chr. belegt) , scheint die Vermutung glaubhaft, dass der Name vom lateinischen "Aenum" oder "Haenum" abgeleitet ist, das Metalle im allgemeinen bedeutet. Die eher poetische Theorie, die sich auf den mythischen Aufenthalt Aeneas' auf Ischia stützt, bevor dieser an den Küsten Latiums anlegte, scheint unbegründet zu sein, besonders wenn man an das Datum der ersten literarischen Verbreitung des betreffenden Mythos denkt (P. Monti).
In der schwierigen Zeit der Bürgerkriege zwischen Sulla und Marius fand letzterer mit seinen Schiffen zeitweise in Aenaria Zuflucht: eine weitere Bestätigung der "privilegierten" Lage der Insel im Tyrrhenischen Meer.
Von den vielen kampanischen Zentren der Zeit waren nur Aenaria und Neapolis nicht von Rom "abhängig", sondern "Verbündete" mit dem daraus folgernden wirtschaftlichen und sozialen Vorteil. Die Bedeutung von Aenaria für Rom scheint also beträchtlich gewesen zu sein, und die Erklärung dafür könnte in der meisterhaften Verarbeitung der Metalle liegen, die unter anderem die Herstellung von leichten Waffen von besonderem Wert in der römischen Antike umfasste (P. Monti denkt zum Beispiel an die kleinen, zugespitzten Bleistückchen, die "sagittari" und "funditores" mit Schleuern und Bogen gegen die Feinde schossen) . Das in der untergegangenen Grundfläche von Aenaria gefundene Material kann einen ersten positiven Eindruck vermitteln über die produktive Leistungsfähigkeit des römischen Städtchens. Auf den bronzernen "Broten" zum Beispiel, die in Cartaromana (Plagae Romanae) aufgefunden wurden, ist der Name des Besitzers dieser "Industrie" eingeprägt (Gnäus Atellius und sein Sohn Miserinus) . Das genaue Gewicht, die Reinheit der verwendeten Metalle, die Verschiedenheit der Formen, was manchmal auch einen Vorteil bedeuten kann, scheinen die "plumbaria" von Gnäus Atellius und Sohn als leistungs fähige Firma auszuweisen.
In Cartamromana sind Bronzebarren von 36,300 kg gefunden worden, also mehr als doppelt so schwer wie die berühmten aus Laurion in Attika und schwerer als diejenigen von Cartagena (28,400 kg) . Die Produktion von Aenaria kann man so zusammenfassen: Barren aus Bronze, Kupfer und Zinn in verschiedenen Gewichts einheiten: Raketenwaffe, Bleischeiben, Schiffsanker, gelochte Ahlen, Kupfernägel und die verschiedensten Kleinartikel für den Schiffsbau (P. Monti).
Was die Thermen betrifft, wuchs die Bedeutung der Kuren, sowohl als Heilbäder als auch als Hydropinotherapie (d.h. als Trinkkur) mit der gleichzeitigen weiteren Verbreitung dieser Art Therapie in der römischen Welt.
Es wurde auch die Fangoptherapie (Aquae arenariae) auf der Insel eingeführt (vielleicht das erste Mal in der Geschichte der medizinischen Hydrologie, wie A. Pazzini meint) . Die tellurischen Erschütterungen und die vulkanischen Erscheinungen des römischen Zeitalters verhinderten (oder zumindest liessen es nicht geraten erscheinen) die Errichtung von grossen Thermalanlagen; trotzdem erlebte die Insel wachsenden Zulauf und steigende Bedeutung in quantitativer wie qualitativer Hinsicht. Dies wird gerade auch durch die im 18. Jahrhundert in der Nähe der Ouelle Nitrodi, in Barano, entdeckte erstaunlichste Sammlung von Votivgaben aus dem imperum romanum bewiesen, die je auf italienischem Boden entdeckt wurden. Die Sammlung wurde unter der Leitung von König Karl III (dem grosse künstlerische Initiativen wie zum Beispiel auch die berühmte Porzellanfabrik von Capodimonte zu verdanken sind) ins Nationalmuseum von Neapel gebracht. Sie besteht aus 11 ex voto, aus Marmor gehauene Flachreliefs, die dem Gott Apollo und den Nitrodennymphen als den "Beschützern und himmlischen Wächtern" der Quelle geweiht waren, sowie aus einem Ausschnitt eines dem Eros geweihten Altärchens. Diese Sammlung von Votivgaben, die Lidia Forti mit viel Liebe zum Detail beschrieben hat, gibt viele bemerkenswerte Anhaltspunkte. Zuerst einmal lässt die gute handwerkliche Arbeit der Votivreliefs auf die guten gesellschaftlichen Kreise schliessen, die die Ouelle besuchten. Dies ist ein wichtiger Gesichtspunkt, wenn man bedenkt, dass in jener Zeit in dem Ischia gegenüberliegenden Gebiet Kampaniens Baia lag, das unzweifelhaft die "Bademetropole" der römischen Welt war.
So sehr "Metropole", mit seinen 350 öffentlichen und privaten Thermalanlagen (A. Pazzini) , dass einem berühmten römischen Schriftsteller sein in Cuma verbliebener Freund schreiben konnte: "Du bist glücklich, weil Du an einem jetzt ruhigen Ort geblieben bist: hier in Baia lebt es sich schlechter als in Rom, das Durcheinander, die Korruption, das ständige be trügerische politische Spiel, das alles ist fürchterlich.."
Properz (Annales, XIV, 18) und Tacitus (Annales, XIV, c.3) bezeichnen Baia als "Ort der schmutzigen Geschäfte und Intrigen", die oft in politischen Verbrechen von grosser Tragweite für das gesamte römische Weltreich gipfelten. Da ist zum Beispiel die Ermordung von M. Claudius Marcellus, Augustus' Liebling, der zu dessen Nachfolge in der Führung des Reiches bestimmt war oder, einige Jahre später, die Ermordung von Agrippina, der Mutter von Kaiser Nero.
Das also war die Kehrseite der Medaille bei diesem Zusammentreffen in Baia von allen, die Rang und Namen, Geld oder Macht hatten oder zur kulturellen Elite gehörten, wo sich das Leben in seinen Kuranlagen und seinem reichen, raffiniertem Nutzungssystem in öffentlichen Thermen und Patriziervillen abspielte. Und das störte natürlich besonders jemanden, der den eher naturverbundenen Kurbetrieb auf der Insel Aenaria vorzog.
Ein weiterer, bemerkenswerter Aspekt der Votivsammlung von Nitrodi ist das genaue Namensverzeichnis jedes Spenders dieser ex voto ("für die erhaltene Gnade") für die himmlischen Herren der Ouelle. Aus dieser Gruppe fallen drei Namen von Ärzten auf, was natürlich besonders ins Auge fällt. In erster Linie der Name Menippus "medicus subalpinus" und dann die Namen A. Monnus und N. Fabius mit ihren Schülern; all das lässt die Annahme logisch erscheinen, dass bei der Nitrodenquelle eine richtige Schule für Spezialisten existierte. Auch das ist ein Beweis des hohen professionellen Niveaus der Nutzung dieser Quelle zu therapeutischen Zwecken. Aus den Schriften dieser Zeit und aus den Darstellungen auf den Votivreliefs selbst geht tatsächlich die balneologische und hydropinische Nutzung der Nitrodenquelle klar hervor und sogar mit einem Hinweis auf die diuretische Wirkung (gut bei Nierensteinen, Hyperurikämie usw.) und auf dermatologische Anwendung. Hier ganz besonders findet das griechisch römische Ideal der "Gesundheit-Schönheit" seinen höchsten und deutlichsten Ausdruck.
Also ist es auch sicher kein Zufall, wenn der vierte bedeutende Name in der Kundschaft, die die Quelle besuchte und die den ihr vorstehenden Gottheiten dankte, derjenige von Argenna ist, einer Freigelassenen der Kaiserin Poppea.
Abgesehen von den Thermalkuren an dieser Ouelle, ist es sicher, dass in römischer Zeit andere Ouellen genutzt wurden. Archäologische, auf der gesamten Insel gefundene Zeugnisse belegen eine erneute Belebung des gesellschaftlichen Lebens auf der Insel Aenaria.
So sind zum Beispiel die malerischen Reste eines Nymphäums, das zu einer römischen Villa am Meer gehörte, zu Füssen des Vorgebirges Monte Vico, für uns heuzutage ein interessanter Anblick. Sie liegen heute auf dem Grundstück der Hotelkomplexe "Sporting" und "Royal Sporting" in Lacco Ameno. In geringer Entfernung davon öffnet sich in der Felswand des Vorgebirges eine Höhle; heute ist ihr Fussboden unter Wasser, aber in römischer Zeit lag er über dem Meeresspiegel und war der Anlegeplatz eines kleinen Touristenhafens sowie der Zugang zu einer darüberliegenden Villa.
Der schon zitierte pessimistische Kommentar Ovids über den "sterilen und trostlosen Hügel", der doch die blühende Akropolis von Pithekoussai war, scheint demnach übertrieben. Lacco (von "Locus qui dicitur Eraclius", "Ort der Heraklius heisst") war wirklich der geschätzteste Ort für die otia und die Badekuren auf der Insel und das blieb er vom 1. Jahrhundert v. Chr. an bis zum 3.und 4. nachchristlichen Jahrhundert, also bis zum Untergang des römischen Weltreiches.
Das römische Aenaria war, vor allem dank seiner Lage im Tyrrhenischen Meer auf dem Weg nach dem Orient, noch oft Schauplatz von keinesfalls zweitrangigen Ereignissen in Roms stürmischen politischen Geschehnissen. Da war der Konflikt zwischen Marius und Sulla, oder die darauffolgende Episode um das Zustandekommen des "Paktes von Misenum" ( der berühmte Versuch eines Kompromisses zwischen Antonius, Oktavian und Sextus Pompejus) . Oktavian erwartete auf der Insel Ischia Antonius und Sextus Pompejus, den Sohn des grossen Pompejus, der mit einer stattlichen Flotte von Sizilien kam. Wie G. D' Ascia zitiert (und mit Vergnügen P. Monti erwähnt) , "bestieg Er (Oktavian) eine Galeere mit 6 Ruderreihen, kam in diese Gegend (Ischia) und wartete hier auf seine Widersacher als an einem sicheren und vertrauenswürdigen, weil von Leuten seiner Partei bewohnten Ort. Der Friede wurde feierlich und mit einem üppigen Bankett besieglt, das Pompejus seinen beiden Rivalen an Bord seiner Galeere gegenüber der Insel Ischia gab".
Hierher gehört auch die Anekdote von Menas, Pompejus' treuem und schlauem Freigelassenen, der seinem Herrn den Rat gab, die Situation auszunützen und die Anlegetaue der anderen beiden Schiffe zu durchschneiden, sie ins Schlepp zu nehmen und auf diese Art "Herr der Welt" zu werden. Lapidar war, nach Appianus (Hist. IV-V, 69 und 71) die Antwort des Pompejus: "Des hättest du tun müssen, ohne es mir zu sagen, aber da du mir dein Vorhaben mitgeteilt hast, bin ich eher zufrieden mit dem, was ich sowieso habe, die Hauptsache, es ist loyal, als das Universum zu erobern und mich einen Verräter schimpfen zu lassen".
Der "augustäische Friede "brachte die Festigung der römischen Ordnung" im Mittelmeerraum mit sich und verstärkte das Interesse an Ischia sowohl als Zentrum aller Arbeiten, die mit dem Meer zusammenhängen, als auch als Ort der "otia" und der Kuren.
Gleichzeitig verfügte ein spezielles Dekret des römischen Senats, dass die Mineralien aus den Bergwerken der Insel Elba wie schon früher auf der Insel Aenaria zu verarbeiten waren: Eine weitere Anerkennung der Fähigkeit der örtlichen Handwerker und auch eine Verpflichtung von grosser Bedeutung im sozialen und politischen Kontext des Golfes von Neapel.
Hier ist ein Bild der Situation jener Zeit, so wie Statius (in einer wörtlichen übersetzung von P. Monti) sie uns schildert: ". . . und in den Orten der Umgegend fehlen auch nicht die Vergnügungen eines abwechslungsreichen Lebens, sei es, dass es dir gefällt, das dampfende Baia zu besuchen, dessen Lido eine Wonne ist, oder die Höhlen, die an die weissagende Sibylle erinnern, oder den Hügel von Misenum, erinnerungswürdig wegen des trojanischen Ruders, oder die saftigen Weinberge des dionysischen Gaurus, oder Capri, die alte Wohnstätte der Teleboi, wo ein Leuchtturm, der Gegner des nachts umherschweifenden Mondes, sein wohlwollendes Licht zum Segen der ängstlichen Seefahrer ausstrahlt, oder die Gebirgsjoche von Sorrent, die einen trockenen und robusten Wein liefern, oder die gesundheitsbringenden Tümpel von Ischia, oder das wiedererstehende Stabio . .." (Vers 95-104) .
In römischer Zeit waren die Seeverkehrswege, die vom Golf von Neapel und von Aenaria aus ins gesamte Mittelmmer ausstrahlten, offensichtlich stark befahren.
Ausser den Handelsschiffen landeten in Aenaria militärische Einheiten aus dem nahegelegenen grossen Flottenstützpunkt Misenum, dem die Oberaufsicht über das gesamte tyrrhenische Meersgebiet anvertraut war. Der Anlegeplatz von Aenaria hatte eine vorteilhafte Lage für die Route nach Kap Misenum: eine kurze und durch den Schutz, den die Insel Procida und das Inselchen Vivara im Falle eines Sturmes bieten konnten, auch sichere Route. Wie P. Monti bemerkt, ist in der Geschichte der antiken Seefahrt als einziger grosser Schiffbruch derjenige beschrieben, der sich 301 v. Chr. ereignete, wie Diodorus Siculus berichtet, als viele "Frachtschiffe" des Agathokles von Syrakus, vollbeladen mit der Beute aus einer Expedition auf sizilianischem Boden, in einen grossen Sturm gerieten, an die Küste von Pithekoussai getrieben wurden und dort zerbarsten (vgl. Abb. 8, "Der Schiffbruch von Pithekoussai").
P. Monti erinnert auch an die zahlreichen Anker, die im Meer um Ischia unter Wasser gefunden worden sind: von den primitiven Ankern aus Stein (rund oder trapezförmig, aus der Bronzezeit) zu den oft riesigen, bis zu 3 Doppelzentner schweren Ankern aus Blei, mit einem Ring in der Mitte, durch den ein starker Holzbalken getrieben wurde, um mehr Stabilität beim Ankern zu erreichen.
Mit dem Niedergang des römischen Reiches, der fortschreitenden Zersetzung der antiken Kultur, der Verbreitung des Christentums, und dann in den "finsteren Jahrhunderten wurden die Thermalkuren als Tatsache praktisch aus der Gedankenwelt des Abendlandes gestrichen. F. Zevi zitiert den Philosophen Plotin, der bereits 270 n. Chr. in der jetzt gespenstischen Kulisse der heissgeliebten phlegräischen Villen von Simmacus, dem "grossen Schweigen" von Bauli, dem "stillen Lukriner (See) , der Öde und Trstlosigkeit des einst erlesenen Baia an seinen in Rom gebliebenen Bruder schreibt, "die Einsamkeit von Baia lag mir schwer auf dem Gemüt... und so bin ich lieber nach Pozzuoli gegangen.".
Auf der Insel Ischia, die jetzt Insula Maior geworden war wegen des raschen Versinkens des Städtchens Aenaria (A. Rittmann) auf 7-8 Meter unter dem Meeresspiegel und wegen des hieraus folgenden Abstandes zwischen der heutigen Küstenlinie von Ischia Ponte und dem felsigen Hügel, auf dem sich die Aragonerburg erhebt (Insula minor), hat sich die Praxis der Thermalkuren, wenn auch nur in rudimentärer Form, trotzdem immer noch ein wenig weitererhalten.
Dieses erstaunliche Fortbestehen der Kurbetriebes auf Ischia ist eine ziemlich seltene Erscheinung in der Geschichte der Thermalkuren; denn es handelte sich nicht nur darum, die allgemein verheerende Situation auf politisch- militärischem, gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Gebiet zu überwinden, die jede Form von zivilem Leben auf dem Kontinent unmöglich machte, sondern auch darum, dass man sich nicht um die neue, christliche "forma mentis" kümmerte, die viel mehr als auf die Gesundheit und die Schönheit des Körpers auf die Verfolgung von geistigen Werten ausgerichtet war.
Reinhardt Gathmann, ein Arzt vom Niederrhein, fuhr nach Italien, um seine Ausbildung zu vervollständigen. Er wählte sich während seines Aufenthaltes hier den Decknamen Reiner Solinander. Der anatomische und klinische Unterricht war nämlich damals in Italien auf einem ausgezeichneten Niveau. Der Herzog Wilhelm von Jülich, Cleve und Berg hatte ihn aus diesem Grund nach Bologna, Pisa, Rom und Neapel gesandt. Er sollte von 1550 bis 1557 in Italien bleiben. Er benützte seine Freizeit, um zahlreiche Reisen in Südtalien zu unternehmen, und beschäftigte sich auch mit dem Vulkanismus und mit den heissen Quellen. Vier Jahre blieb er allein in Lucca, um Badearzt zu werden. Selbstverständlich war er auch auf der Insel Ischia, um die heissen Quellen und die Sudatorien kennenzulernen. In seinem Buch "De caloris fontium medicatorum causa, eorum temperationis, libri due, et philosophis et medicis perutiles" beschreibt er die vulkanische Natur der Quellen von Ischia. Mit ihm beginnt die Reihe der wissenschaftlichen Balneologen!
Mit dem Erwachen des humanistischen Zeitalters und der Renaissance steigt auch allmählich das Interesse an Ischia und seinen Thermalquellen wieder und sie spielen eine immer wichtigere Rolle. Die Anwesenheit von Viktoria Colonna, Gemahlin (und schon bald Witwe) von Don Ferrante D'Avalos, des Feudalherren in der Aragonerburg, ist sicherlich ein positives und bedeutsames Element für das anfangs des 16. Jahrhunderts wiedererwachende Interesse am Kurbetrieb auf Ischia. Als Dichterin und nicht nur als Fürstin aus dem Hause Colonna hatte Viktoria freundschaftliche Beziehungen mit den Edelsten des Vicekönigreiches von Neapel und mit den intellektuellen Kreisen in Rom und Florenz. Bekannt ist die innige Freundschaft zwischen Viktoria und Michelangelo; sehr interessant ist auch ihre Freundschaft - als eifriges Mündel - mit dem Römer Ludovico De Varthema, der gerade anfangs des 16.
Jahrhunderts der Herzogin von Montefeltro, Viktorias Mutter, eines seiner berühmten Reisebücher "Itinera" widmete, in dem er zum ersten Male Mecca und den Jemen beschreibt.
In der modernen Auflage dieses Buches ( Verlag Alpes, Mailand 1928) ist ein Brief von De Varthema an Viktoria wiedergegeben, der als Begleitbrief zum Buch geschrieben worden war. Daraus merkt man deutlich die "ganze, für die Renaissance typische" Wissbegier der damals jungen Frau nach einer gründlicheren Kenntnis der "natürlichen Welt". Und wahrscheinlich haben sich Viktoria und ihr Hof ganz im Sinne der Renaissance für die hydrothermalen Ouellen auf Ischia interessiert; denn das uralte Ideal "Schönheit-Gesundheit-Schönheit" kam allmählich wieder zu Ehren. . .
1588, also nur wenige Jahre später, schrieb Julius Jasolino aus Tarsia, Professor für Anatomie an der Universität Neapel, eben um die Nachfrage und das Bedürfnis seiner elitären Kundschaft zu befriedigen, ein wirklich grundlegendes Buch über den "Thermalbetrieb auf Ischia und er schrieb es nicht in lateinische Sprache, wie es ja damals für wissenschaftliche Werke üblich war, sondern in der Volkssprache, um den praktischen Gebrauch zu erleichtern: De' rimedi naturali che sono nell' isola di Pithekusa, hoggi detta Ischia". Zwischen dem Verfassen und der Veröffentlichung des Buches vergingen aber mehrere Jahre.
Vielleicht ist das der Grund, warum die Angaben über das Kurwesen auf Ischia, die sich im Buch von Andreas Bacci, dem Archiater von Papst Sixtus V. ,über den Thermalismus in der ganzen bekannten Welt und sogar aus den beiden neuentdeckten amerikanischen Erdteilen finden, an vielen Stellen aus dem später veröffentlichten, aber früher verfassten Werk von Jasolino abgeschrieben scheinen. Vielleicht hat sich der berühmte Kollege des Jasolino eine Kopie des Originalmanuskripts geben lassen. . . Wenn man verschiedene weniger bedeutende Werke ausser acht lässt, kann man sagen, das Buch von Julius Jasolino mit seinen vielen Angaben über die damals aktiven Ouellen und - natürlich auf dem medizinisch- kulturellen Niveau seiner Zeit - über Beobachtungen, Vorschläge, klinische Fälle usw. ist für mehr als zwei Jahrhunderte das grundlegende Werk der medizinischen Hydrologie auf der Insel geblieben und war durch seine zahlreichen Auflagen weit verbreitet.
Bemerkenswert ist, dass sich der Thermalbetrieb auf Ischia gut entwickelte trotz der häufigen Überfälle von barbarischen Piraten, die sogar gewöhnlich in Forio übernachteten. Wegen des Fehlens von Küstenstrassen war der Zugang vom übrigen Inselgelände zur Gegend von Forio recht schwierig und folglich war hier ein idealer "Versteck". Dazu liegt Forio genau im Westen, das heisst, wo die Meeresbrisen ihren Ursprung haben und genau in Richtung auf die Insel und, wie es in der Seemannssprache heisst, als Wind im Rücken wehen, was natürlich eine sehr schnelle und bequeme Segelfahrt erlaubt. Bei der Rückfahrt von den Einfällen musste man zwar mit Gegenwind segeln, aber nach "getaner Arbeit" war die geringere Geschwindigkeit der Segelschiffe nicht mehr so wichtig. Als Verteidigung gegen die Geschwindigkeit der Angriffe der Piratenschiffe dienten die Signale aus grosser Entfernung, die von den vielen Wachtürmen gegeben wurden, die auf den hohen Punkten längs der Küste standen und tatsächlich nach allen Regeln der Kunst plaziert worden waren. Zum Beispiel scheint es uns unmöglich zu sein, aber von der Plattform des quadratischen Turmes, der sich in der Mitte der Küstenlinie auf dem Vorgebirge Monte Vico in Lacco Ameno erhebt, kann man die Plattform des Aragonerkastells in Ischia Ponte wahrnehmen, d.h. in ungefähr 7 km Entfernung und trotz anderer dazwischenliegender hügeliger Erhebungen. Die Allarmsignale erfolgten demnach gewöhnlich sehr schnell, sei es, um eine aktive Verteidigung vorzubereiten, oder um der unbewaffneten Bevölkerung Zeit zu geben, einen Zufluchtsort (z.B. im Aragonerkastell oder auf den Hôhen des Monte Epomeo) zu erreichen. Ein volkstümlicher Spruch, den man noch heute hören kann, lautet ungefähr so: A Santa Restituta fave e piselli sò rendute, i Turchi sò fujute". An Sankt Resti,tuta sind Saubohnen und Erbsen hart und die Türken sind fort.
Die Seeräuber versteckten sich also in Forio in den Wintermonaten und gingen wieder weg mit Anbruch der guten Jahreszeit (das Fest der Hl. Restituta wird am 17. Mai gefeiert) .
Nach dem Buch des Jasolino dauert es bis ins 19. Jahrhundert, bevor jenes Buch erscheint, das bis heute als das vollständigste Werk über das Thermalkurwesen auf Ischia anzusehen ist und von einem berühmten Schweizer Arzt, Jacques Etienne Chevalley De Rivaz, geschrieben wurde. (1835 erschien die erste Auflage) . Der Verfasser beschreibt detailliert den reichen Hydrothermalbestand der Insel und, indem er mit enorm gutem klinischem Verstand die medizinisch- wissenschaftlichen Kenntnisse der Zeit wertet, versteht er es, einen praktischen Führer für die Kranken zu schaffen, die in immer grösserer Zahl die Thermalkuren in Anspruch nehmen.
Schon damals häuften sich die Initiativen zur Erweiterung des Kurbetriebes in den einzelnen Gegenden der Insel. 1829 z.B. führt die Erschliessung einer bekannten Quelle in Forio, die in Monterone entspringt und die heutigen Thermen Castaldi speist, zur weiten Verbreitung des Rufes der balneo- und fangotherapeutischen Kuren von Ischia. (Die modernen chemischen Analysen weisen diese Ouelle mit dem Namen Paolone als mineralhaltig, hyperthermal, salzhaltig, schwefelhaltig, alkalisch, erdhaltig aus.) In derselben Zeit wurde auch in Casamicciola unter der Schirmherrschaft von König Ferdinand II. das Kurbad Belliazzi erbaut, das die historische Quelle Gurgitello nützt, die seit Plinius Zeiten bekannt ist und von Jasolino 1558, von D- Aloisio l757 und von anderen Autoren des 18. Jahrhunderts zitiert wird, darunter von Eucherius De Quinzii in seinem berühmten Epos (Inarime) in lateinischen Hexametern über die ischitanischen "Bäder". Diese Ouelle (mineralhaltig, hyperthermal, salzhaltig-schwefelhaltigalkalisch) gehört zu dem zweifellos in der Neuzeit bekanntesten ischitanischen Thermalbecken.
Zu der "grossen Saison" im 18. Jahrhundert, die durch das Buch des Chevalley De Rivaz eröffnet wurde, gehört auch der Aufenthalt berühmter Gäste, die von den Wohltaten der Thermalkuren und von der landschaftlichen Kulisse der Insel angezogen worden waren. .
Unter diesen ist besonders der grosse Dichter Alphonse de Lamartine zu erwähnen, der von 1812 bis 1844 auf der Insel weilte, ein bisschen, um sich zu kurieren, ein bisschen, um zu dichten.
"Jedes Segel brachte seine Gedanken mit und die Träume fluteten über die bittersten Gedanken. Und jetzt, am Bug des Dampfschiffes sitzend Habe ich das Meer über quert und bin gegangen". So beschrieb er den Moment seines endgültigen Abschiedes von der Insel. Auch seine sehr bekannte "Graziella" , die auf Procida spielt, ist in Wirklichkeit auf Ischia geschrieben worden (Der Verfasser mietete eine kleine Villa in der Sentinella, in Casamicciola, mit einer wunderbaren Aussicht) .
Auch der wiederholte Aufenthalt auf der Insel (1875, l877, 1879) von Ernest Renan, dem grossen Denker und Schriftsteller, dem Verfasser des berühmten "Leben Jesu". ist hier zu erwähnen.