Raymond Ritter
Blauer Himmel über Ischia, 1939
Der „Piccolo Giardino« ist ein kleines, sehr reizendes Gourmand-Lokal, da sowohl als Restaurant als auch als nachmittägliche Teestube mit seinem originellen Keramikgeschirr höchst gemütlich ist und von der ersten Minute an die behagliche Kultur einer Cantina romana atmen lässt. Gleich beim Eintritt hat uns das kalte Büffet, das den Mittelpunkt des Lokals bildet, sehr interessiert. Und da das blonde Fräulein ebenfalls für all die italienischen Spezialitäten sehr starkes Interesse zeigte, war im Handumdrehen ein echt italienisches, raffiniert feines Cena zusammengestellt. Wir zogen es vor, uns in den eigentilichen „Piccolo Giardino« zu setzen, der im Anschluss an das Lokal hinter dem Haus liegt. Klein, mit Steintischen unter einer Rebenpergola und einer entzückenden alten Steintreppe, die gewunden wohl zu den oberen Zimmern des Hauses führt. Feuerrote, glühende Geranien und blaue Glyzinen, die von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne noch intensiver gefärbt werden und roter, roter vino di Fontana! in der Ferne Pinien und Olivenbäume, Zitronen und goldgelbe Orangen hängen im dunkelgrünen Laub, und der Wind führt den Duft von blühenden Jasmin und Hibiskusblüten zu uns herüber. Gespreizt stehen Opuntien über gelben Mauern und der Himmel im Blau der untergehenden Sonne sagt zu allem „Ja!«
Wir müssen plötzlich sehr nahe zusammensitzen und fühlen dankbar und stolz, dass wir ja auch ein kleines Stückchen dieser Natur sind, die in so vielfältigen Farben, aber in so malerischer Harmonie beglückend und befreit, den Segen der südlichen Erde spüren lässt.
Wir bleiben nur ganz kurze Zeit in der Pineta, wo unter dem nächtlichen Himmel bei farbiger Beleuchtung getanzt wird. Ich schlage vor, noch in der Richtung nach Casamicciola einen Spaziergang zu machen und Francesco ist auch gan z dafür und weiss uns überdies sehr Schönes zu erzählen. Das Fräulein ist sogar daran interessiert, als mir Francesco erzählt, dass seltsamerweise Ibsen in Casamicciola die ersten zwei Akte seines „Peer Gynt« geschrieben hat. Dass Francesco solche Dinge weiss, und sogar den „Peer Gynt« kennt, nimmt mich nun ganz für ihn ein.
Der Mond scheint so schön und so beschliessen wir, und eine Carozza jenes für die Insel so typische Gefährt, zu nehmen und nach Lacco Ameno weiter zu fahren.
Der Mond scheint und das Pferdchen trabt wir fahren hinaus über Casamicciola zu dem kleinen hübschen Ort Lacco Ameno. Wie ruhig liegen die weissen Häuschen im Mondschein, wie friedlich der Hafen und wie wunderbar die Bucht und der Strand vor unìs, jener ruhige, flache Strand, der gegen Wind so gut geschützt ist. Vor Lacco liegt ein seltsam geformter Stein im Meer, der uns ganz besonders ins Auge fällt und von dem Francesco zu erzählen weiss, dass dieser Stein im Volksmund der „Fungo«, das heißt Pilz, genannt wird, und dass von ihm die Sage geht, Odysseus habe schon sein Ankertau um ihn geschlungen. – Das ist nun wieder hochinteressant für Francesco und wir freuen uns sehr daran, alte, halbvergessene Schulweisheiten aufzufrischen.
Wir kommen uns wesentlich näher und ich bin über Francesco gar nicht mehr verärgert. Es ist auch zu schön, über Odysseus und über Griechen und Römer zu reden und im Anblick einer solchen Natur, bei der man unwillkürlich den Odem vergessener, klassischer Zeiten atmet.
Etwas höher liegt Forio – am jenseitigen Abhang des Monte Epomeo. Überragt allein von dem 1480 errichteten Torrione, einem Turm, der noch heute sehr erhalten ist und in dem sich das Museo Maltese – eine nicht uninteressante Gemälde- und Skulpturen-Sammlung befindet.
Auch eine ganz besondere, warme Heilquelle hat Forio, die Stufe di S. Lorenzo auf dem Strand von Citara, wo anch der Legende die Vestalin Caecilia Metella Jugend und Gesundheit wieder erlangte. Auch „nicht gesegneten« Frauen sei diese Qujelle besonders zu empfehlen – wie überhaupt Frauen – weil das Wasser dieser Quelle eine wunderschöne weiche Haut verleihen würde und die Haujt glatt und straff mache.
Von der Windströmung begünstigt, durch Wasser in kristallheller Klarheit vorbei an dem 200 Meter über dem Meeresspiegel liegenden Dörfchen Barano segeln wir zum herrlichen „Arenile die Maronti«, der wohl der schönste Strand der Insel ist, und welcher sich bei einer Breite von 50 Metern, 2 Kilometer lang bis nach dem Dorf Sant’Angelo hineinzieht. An einer seichten Stelle legen wir an, aber der Sand ist so heiss, dass wir mit blossen Füssen unmöglich darüber gehen können. Wir sind sehr sprachlos vor diesem beinahe unheimlichen Naturwunder und können uns wohl denken, dass Rheuma- und Ischiaskranke hier Heilung suchen und finden. Zahllos sind die kleinen heissen Quellen im Meer, die zum Teil so heiss der Erde entströmen, dass man deren Hitze nur kurze Zeit ertragen kann.
Etwas weiter gehen wir zur Sorgente della cava scura. Thermo-Mineralbädern, deren Wasser eine Wärme bis zu 100° erreicht.