Home

Zurück

.

Willhelm Waiblinger

Gesammelte Werke mit des Dichtes Leben - Hamburg 1839/40

- Vergleiche ich Capri mit anderen Umgebungen Neapels, so wäre es nur Ischia, das ihm den Rang etwa streitig machen könnte. Und in der That, diese Insel ist auch voll von Eigentümlichkeiten, voll Reize und Schönheiten. Sie hat zwanzigtausend Einwohner mehr als Capri, ist reicher und gewerbsamer, hat einen kleinen Handel, führt die wohltätigsten warmen Wasser und trägt trotz ihrem Vulkane, den Lagern von Lava un den häufigen Erdbeben in ihrem Innern, wie als Bild aus der Ferne, den Charakter der Anmuth und Lieblichkeit, während Capri, zumal vom Cap der Minerva her, mit seinen schroffen Meerfelsen und wilden Formen im Geiste des Wunderbaren und Seltsamen bezaubert und erstaunen macht. Wie nun Ischia schon ein bedeutend Stück Land ist und seiner Heilbäder wegen häufig besucht wird, so findet man hier mehr Gesellschaft, Bequemlichkeit des Lebens, hübsche reinliche Wege, aber hat auch alles Lästige zu tragen, was einen Ort der Art in Italien begleitet. Die Bettelei ist ächt neapolitanisch und wird nur von dem abscheulichen Gesindel übertroffen, das die klassischen Strecken von Pozzuoli bis Cap Misenum bewohnt; man steigt kaum ans Land, so wird man von Schiffsleuten, Soldaten, Bettlern, Eseltreibern und Ciceronen mit solcher Wut überfallen, dass an das Loskommen nicht zu denken ist. Alles gerät in Bewegung, ein Haufen habgierigen Volkes läuft Ihnen nach und verfolgt Sie bis in die Locanda oder Osteria, wo Sie sich von der Seefahrt erholen wollen. Sie haben die Wahl zwischen Dutzenden von Eseln und sollen womöglich alle nehmen. Dazu fehlt Ihnen für den längeren Aufenthalt ein Ehrenmann, wie Don Giuseppe...

  Nein, lieber Freund, verfönnen Sie mir, dass ich die frischen, gesunden Meerlüfte Capri's preise. Zwar mangeln hier die Orangen Sorrents, die Kastanien von Castellammare, die Ruinen Pozzuoli's, die Wälder La Cava's, die Uferstrasse von Salerno, die Costüme Procida's und die Bäder von Ischia, aber ich vermisse keines von allem, wenn ich von den Ruinen Tibers hoch über schauerlichem Meeresabgrund die Sonne in die Fluth sinken sehe. -